Bauen mit Bambus, 1.Teil: Grundlagen
Einer unserer ältesten Baustoffe erlebt derzeit eine Art Renaissance in der westlichen Welt: Bambus. Obwohl oder vielleicht weil Bambus in Europa nicht heimisch ist und es hierzulande keine traditionelle Verwendung gibt, wird Bambus immer beliebter. Designer lieben seine natürliche und ursprüngliche Optik, und Ingenieure schätzen seine mechanischen Eigenschaften. WACHSTUM Bambus wächst rund um den Globus hauptsächlich in der Zone zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis und kommt mit Ausnahme von Europa auf allen Kontinenten als endemische Pflanze vor. Bambus besitzt eine derart hohe Wachstumsgeschwindigkeit, dass er die am schnellsten wachsende Pflanze ist. Je nach Art wird innerhalb von Wochen bis Monaten die endgültige Höhe erreicht. Diese reicht von 15 cm bis hin zu 40 m. Dabei werden Durchmesser von wenigen Millimetern bis zu 30 cm erreicht. Durchschnittliche Halmlängen sind 8 bis 15 m bei 5 bis 12 cm Durchmesser und 10 mm Wandstärke. Auch die größten Halme können ihr Wachstum nach einigen Monaten abschließen. Der Längenzuwachs liegt bei 10 bis 40 cm pro Tag. Bambus wird ebenfalls „Holz“ genannt, da seine technischen Eigenschaften und sein verholzender Zellenaufbau dem eigentlichen Holzgewebe sehr ähnlich sind. AUFBAU Das pure Bambusrohr lässt sich fast gebrauchsfertig ernten und stellt in seiner Anatomie ein Musterbeispiel für effizienten Materialeinsatz dar. Zumeist hohl, besteht Bambus aus Nodien (Knoten), Internodien sowie Diaphragmen (Scheidewände). Die äußeren Fasern werden durch eine extrem dichte und harte Oberfläche bzw. Haut abgeschlossen. Diese äußere Haut ist meist sehr glatt und lackartig und stellt einen wirksamen Schutz der Bambuspflanze vor chemischer und mechanischer Beschädigung, z.B. durch Insekten, dar. Die Oberfläche des Halms ist anfangs grün, später gelblich, teils braun bis schwarz, einfarbig oder durch unregelmäßige Pilzflecken punktiert und gefleckt; sie ist matt oder glänzend. EIGENSCHAFTEN Im Gegensatz zu massiven und homogenen Werkstoffen besitzen Bambusrohre aufgrund ihres hohlzylindrischen Aufbaus sehr spezielle Eigenschaften. Vereinfacht betrachtet lässt sich sagen, dass die materiellen Eigenschaften ähnlich derer von Nadel- und Laubholz sind. Ein entscheidender Unterschied liegt in den streng axialparallel angeordneten Fasern. Dadurch ist Bambus unbegrenzt längs spaltbar und ein hervorragendes Material zur Herstellung von Körben bzw. Flechtwerken. Die Längsfasern begünstigen weiterhin die für Bambus typischen Längsrisse, welche durch innere Spannungen beim Schwinden entstehen können. Wie bei massiven Holzquerschnitten sind zu schnelle Trocknung und trocken-warmes Raumklima Gründe für vermehrte Rissbildung. Die mechanisch-technischen Eigenschaften werden oft als extrem gut beschrieben und zum Teil sogar mit denen von Baustahl verglichen. Jedoch besitzt tatsächlich nur das Material der dichten Außenzone eines Bambushalms extrem hohe Werte. Die Elastizität von Bambus ist jedoch wesentlich höher, so dass er bei entsprechender Tragwerksgestaltung ein guter Baustoff in erdbebengefährdeten Gebieten ist. Bambus ist brennbar aber schwer entflammbar. Für die relativ träge verlaufende Entflammung ist die dichte und stark kieselsäurehaltige Außenzone der Bambusrohre verantwortlich. HALTBARKEIT Die Haltbarkeit von Bambushalmen wird von vielerlei Faktoren beeinflusst. Hauptsächlich sollte deshalb auf gutes Material, ausreichende Behandlung und vorteilhafte Konstruktionen geachtet werden. Die dichte und harte Oberfläche gewährleistet kurz- bis mittelfristig eine gute Haltbarkeit. Für eine längerfristige Haltbarkeit sind ähnlich wie bei Holz gewisse Spielregeln zu beachten, da auch Bambus sowohl oberflächlich verwittert als auch eine gewisse Nahrhaftigkeit für Schädlinge besitzt. Fäulnis, die durch den Befall von Pilzen entsteht, schwächt das Material. Der Befall von Insekten, kann vernachlässigt werden, da diese in Mitteleuropa nicht vorkommen. Nachdem das Material aus dem Wald geschafft wurde, gibt es eine Vielzahl und regional unterschiedliche Behandlungsmethoden. Dem Material werden durch Wässern, Dämpfen oder Kochen die Nährstoffe entzogen, und/oder das Material wird durch Räuchern, Borsalz oder diverse chemische Holzschutzmittel ungenießbar gemacht. Beim Kochen in einer Wasserstoffperoxyd-Lösung werden nicht nur Nährstoffe umgewandelt, sondern der Bambus wird auch gebleicht und erhält eine hellgelbe Farbe. Das Dämpfen im Autoklav ist ein neuartiges Verfahren, welches auch zur Herstellung von sogenanntem Thermoholz verwendet wird. Das Resultat ist ein bräunliches „karamell-farbendes“ Material, dem ein leichter Brandgeruch anhaftet. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens ist die anschließend verminderte Fähigkeit zur Wasseraufnahme. Pilze finden weder ausreichend Nährstoffe noch die für ihr Wachstum benötigte Holzfeuchte. Weniger als 18% relative Feuchte garantiert einwandfreies Material. Deshalb ist es wichtig, Bambus zumindest so einzubauen, dass er regelmäßig trocknen kann. Dauerhafter Wasserkontakt sollte vermieden werden. Wasserabweisende Anstriche sind hilfreich, auch um die Optik zu bewahren. Besser noch ist der konstruktive Holzschutz, so dass Feuchtigkeitsaufnahme durch entsprechenden Einbau vermieden wird. Bambusrohre werden zum Teil in ihren Herkunftsländern begradigt. Dies geschieht durch Erhitzung im Bereich der gekrümmten Stellen und anschließendem Biegen. Getrocknete Rohre lassen sich kaum biegen – Bambusstreifen jedoch unter Wasserdampf. Bei hohen und lang anhaltenden Temperaturen geht eine materielle Versprödung und somit Schwächung einher. Christoph Tönges > 1. Teil: Grundlagen > 2. Teil: Bambusarten > 3. Teil: Verarbeitung > 4. Teil: Verbindungen > 5. Teil: Konstruktionen |