Ein unvergleichliches Gras, 1.Teil

von Sandra Makowski

„Tischchen, Deckchen, Sofas, Fahrräder, Musikinstrumente, Häuser! In Bambus stecken enorme Verwendungsmöglichkeiten. Innovative Technologien – oft im Verbund mit traditionellen Verarbeitungsmethoden – bringen sie jetzt an den Tag und lassen die erstaunliche Pflanze immer rascher in eine Phase spannender Projekte und gestalterischer Ästhetik hineinwachsen.

Manchmal muss man die Dinge einfach von einer anderen Seite betrachten. Darf sich zum Beispiel beim Bambus nicht auf dessen schlanke Form konzentrieren. Nicht auf seine sich in der runden Wölbung zeigende Maserung. Nicht auf die charakteristischen Stauchungen, jene feinen, oft abgeknickten Ringe, die die Halme so gleichmäßig unterteilen. Und darf die vielfältigen Gestaltungmöglichkeiten dieser gigantischen Grashalme mal nicht auf die fragliche Ästhetik von Bambussofas reduzieren, die einst, belegt mit bunten Kissen, einen Hauch Asia-Exotik in Gelsenkirchener Wohnstuben bringen sollten. Man muss sein Augenmerk vielmehr auf den Querschnitt der Pflanze richten. So wie Anne Crumpacker es tut – und dabei wunderschöne Effekte hervorbringt. Ringe aus geschnittenem Bambus, aufeinandergeschichtet in verschiedenen Richtungen, leicht versetzt: eine einzigartig schöne Lampe. Nebeneinander arrangierte Ringe, die teils den Blick auf die Wand freigeben, teils (wenn sie Querschnitte sind aus den Nodien, also aus jenen Knoten, die die Bambushalme in einzelne Kammern unterteilen) undurchsichtige Scheiben bilden und so – wie auch mit ihren unterschiedlichen Durchmessern – für Varianz im Gesamteindruck sorgen. „Jedes Stück ist einzigartig“, erklärt die Designerin. Intuitiv arbeite sie vom Zentrum nach außen, einfache Regeln befolgend. Gewachstes irisches Leinen in verschiedenen Farben dient als Verbindung. Ein Rhythmus verschiedener Größen. Doch immer wieder: Bambus.

In der Kunst, sagt Crumpacker , sei die eigene Vorstellungskraft, die eigene Fantasie von jenen Grenzen bestimmt, die ein Künstler wähle. Die Grenzen, die sie selbst sich jetzt gewählt hat, lassen ihr viel Spielraum, denn es sind die schier unendlichen Verwendungsmöglichkeiten einer erstaunlichen, sehr artenreichen Pflanze. Es ist ein Gras der Superlative, das so schnell emporschießt wie kaum ein anderes Gewächs: Manche Bambussorten wachsen unter optimalen Bedingungen sogar um einen Meter pro Tag.

Während er in Asien, wenngleich seit Jahrhunderten für Bauten, Textilien, Körbe usw. verwendet, vielerorts als „das Holz des armen Mannes“ noch das Stigma des Minderwertigen, Alltäglichen trägt, wird Bambus in der westlichen Welt aufgrund seiner vielen nützlichen und erstaunlichen Eigenschaften mittlerweile mehr und mehr geschätzt. Als interessantes Material, das Designer und Künstler heute neu interpretieren. Als nachwachsender Baustoff, der zum Beispiel eine edle Bartheke entstehen lässt, ohne dass man die dafür geernteten Halme irgendwo auf der Welt als Kahlschlag wahrnehmen würde. Als Designelement mit einer charakteristischen Form, die auch im Querschnitt wirkt. Als flexibler Grundstoff für spannende, zukunftsweisende Experimente in der Möbelherstellung ebenso wie im Häuserbau.“

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Quelle: http://www.premiumpark.de/artikel/ein-unvergleichliches-gras

Autorin: Sandra Makowski, nurweiterso.de